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Die Schandmaske

Roman, Goldmann Allgemeine Reihe 43973

Erschienen am 01.04.1998
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442439737
Sprache: Deutsch
Umfang: 448 S.
Format (T/L/B): 3.1 x 18.4 x 11.6 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Der Spiegel-Bestseller jetzt erstmals im Taschenbuch: Die junge Ärztin Sarah Blakeney ist schockiert. als sie die Leiche von Mathilda Gillespie sieht, denn die Tote trägt eine makaber geschmückte mittelalterliche Schandmaske. Während Polizei und Familie von Selbstmord ausgehen, ist Sarah nicht bereit. diese Erklärung hinzunehmen. Doch dann stellt sich heraus, daß Mathilda sie zur Alleinerbin gemacht hat.

Autorenportrait

Minette Walters arbeitete lange als Redakteurin in London, bevor sie Schriftstellerin wurde. Seit ihrem Debüt "Im Eishaus", das 1994 auf Deutsch veröffentlicht wurde, zählt sie zu den Lieblingsautoren von Millionen Leserinnen und Lesern in aller Welt. Alle ihre bisher erschienenen Romane wurden mit wichtigen Preisen ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Minette Walters lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Dorset, England.

Leseprobe

Dr. Sarah Blakeney stand neben der Badewanne und fragte sich, wie ein Mensch den Tod als Sieg bezeichnen konnte. Hier war kein Triumph, nicht der Hauch einer Ahnung, dass Mathilda sich ihrer irdischen Hülle entledigt hatte, um etwas Besseres zu gewinnen, nicht der kleinste Fingerzeig, dass sie ihren Frieden gefunden hatte. Bei den Toten bestand, anders als bei den Lebenden, keine Hoffnung auf Wiedererwachen. 'Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören?', sagte sie langsam, in Antwort auf die Frage des Polizeibeamten. 'Mathilda Gillespie ist die Letzte, der ich einen Selbstmord zugetraut hätte.'
Sie starrten zu der grotesken Gestalt hinunter, die steif und kalt im brackigen Wasser lag. Brennnesseln und spät blühende Maßliebchen sprossen aus dem grauenvollen Gestell, das das blutleere Gesicht einschloss und dessen verrostete Gebissstange die tote Zunge im klaffenden Mund festklemmte. Ein paar Blütenblätter lagen, welk und eingerollt, auf den knochigen Schultern und den Rändern der Wanne, und ein brauner Bodensatz unter der Wasseroberfläche ließ vermuten, dass dort unten noch mehr Blätter sich gesammelt hatten, die sich voll Wasser gesogen hatten und gesunken waren. Auf dem Boden lag ein blutiges Stanley-Messer, anscheinend den leblosen Fingern entglitten, die schlaff über ihm hingen. Die Szene erinnerte an Marat in seinem Bad, aber sie war ungleich hässlicher und ungleich trauriger. Arme Mathilda, dachte Sarah, wie ihr das zuwider gewesen wäre.
Der Sergeant wies auf den gemarterten grauen Kopf. 'Was um Himmels willen ist denn das?' Seine Stimme war rau vor Widerwillen.
Sarah wartete einen Moment, bis sie sicher war, ihre Stimme unter Kontrolle zu haben. 'Das ist ein altes primitives Unterdrückungsinstrument', sagte sie. 'Man nennt es eine Schandmaske. Im Mittelalter hat man damit zänkischen Frauen die Zunge in Zaum gelegt. Es befindet sich seit Jahren im Besitz von Mathildas Familie. Ich weiß, so sieht es grauenhaft aus, aber sie hatte es immer unten im Vestibül über einem Geranientopf. Als Dekoration war es sehr wirkungsvoll.' Sie drückte erschüttert eine Hand auf ihren Mund, und der Polizeibeamte tätschelte ihr unbeholfen die Schultern.
'Es waren weiße Geranien. Die Blüten schauten zwischen den Eisenstäben des Gestells hervor. Sie hat es immer ihr Laubgewinde genannt.' Sie räusperte sich. 'Sie war eine feinsinnige Frau, müssen Sie wissen. Sehr stolz, sehr hochmütig, sehr intolerant und gewiss nicht umgänglich, aber für jemanden, der nie etwas anderes gelernt hatte, als Hausfrau zu sein, war sie brillant, und sie besaß einen köstlichen Humor. Trocken und beißend.'
'Laubgewinde', wiederholte der Pathologe sinnend. 'Wie in:
'Es neigt ein Weidenbaum sich übern Bach
Und zeigt im klaren Strom sein graues Laub,
Mit welchem sie fantastisch Kränze wand
Von Hahnenfuß, Nesseln, Maßlieb, Kuckucksblumen.
Dort als sie aufklomm, um ihr Laubgewinde
An den gesenkten Ästen aufzuhängen ...'
Hamlet', erklärte er dem Polizeibeamten entschuldigend. 'Ophelias Tod. Ich musste das für die O-Levels lernen. Erstaunlich, woran man sich alles wieder erinnert, wenn man älter wird.' Er starrte auf die Badewanne. 'Kannte Mrs. Gillespie Hamlet?'
Sarah nickte bedrückt. 'Sie hat mir einmal erzählt, dass ihre ganze Bildung darauf basierte, Passagen aus Shakespeare auswendig zu lernen.'
'Nun, wir werden nicht viel Neues daraus lernen, dass wir hier rumstehen und die arme Person anstarren', sagte der Polizeibeamte abrupt. 'Es sei denn, Ophelia ist ermordet worden.'
Dr. Cameron schüttelte den Kopf. 'Tod durch Ertrinken', sagte er nachdenklich, 'in einem Moment geistiger Verwirrung.' Er sah Sarah an. 'War Mrs. Gillespie depressiv?'
'Wenn sie es war, hat sie es mich nie merken lassen.'
Der Polizeibeamte, der sich in der Gegenwart des Todes entschieden unbehaglicher fühlte als die beiden Ärzte, führte Sarah in den Flur hinaus. 'Vie ... Leseprobe